Kastration bei Hunden
Allgemeines
Die Kastration zählt heutzutage zu den häufigsten Eingriffen in einer Kleintierpraxis. Der Eingriff erfolgt unter Vollnarkose. Bei der Operation werden der Hündin die Eierstöcke (Ovariektomie) oder Eierstöcke und Uterus (Ovariohysterektomie) entfernt. Beim Rüden werden die Hoden entfernt. Eine kastrierte Hündin wird nicht mehr läufig, der kastrierte Rüde verliert seinen Sexualtrieb. Rüden werden zwischen dem 5. und 8. Lebensmonat geschlechtsreif (Beginn des Markierverhaltens), während Hündinnen zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat in die Läufigkeit kommen. Kleine Hunde werden grundsätzlich früher geschlechtsreif als Grosse. In der Regel wird die geschlechtsreife Hündin zweimal im Jahr läufig. Das Intervall zwischen den Läufigkeiten beträgt dabei durchschnittlich 6-7 Monate, ist aber auch stark rassenabhängig.
Läufigkeitsverhütung hormonell
Die Verabreichung von Geschlechtshormonen zeigt ein vermehrtes Auftreten von Mammatumoren und anderen starken Nebenwirkungen. Sie wird daher heute nicht mehr empfohlen. Die chemische Kastration mittels Chip kann zur Erzielung einer vorübergehenden Unfruchtbarkeit sowie zur Verschiebung des ersten Östrus, der Läufigkeit und Verhinderung einer Trächtigkeit bei gesunden, jungen, nicht kastrierten, und nicht geschlechtsreifen Hündinnen genutzt werden.
Medizinische Indikationen für eine operative Kastration
Es gibt verschiedene medizinische Gründe, die eine Kastration erforderlich machen. Dabei stellt die Kastration in vielen Fällen eine lebenserhaltende Maßnahme dar.
Hündin
Geschlossene Pyometra
Es handelt sich um eine eitrige Gebärmutterentzündung, die in der Regel 4-10 Wochen nach der Läufigkeit auftritt. Das Allgemeinbefinden der Hündin ist mehr oder weniger beeinträchtigt (Fieber, Futterverweigerung, Apathie). Bei schlechtem Zustand müssen nach Stabilisierung des Kreislaufs die Gebärmutter und die Eierstöcke entfernt werden.
Wiederholte Scheinträchtigkeiten
Verhaltensveränderungen von apathisch bis aggressiv sind möglich. Typischerweise 3 bis 12 Wochen nach der Läufigkeit. Leichte Formen bedürfen keiner Behandlung, vielfach heißt das Motto: Für Ablenkung und Bewegung sorgen. In schweren Fällen, z.B. bei Milcheinschuss oder starken Verhaltensänderungen kann eine hormonelle Behandlung nötig sein. Ganz grundsätzlich ist eine Scheinträchtigkeit nichts Krankhaftes, sondern liegt "in der Natur des Hundes“. Führt die Scheinträchtigkeit jedoch zu starkem Stress bei der Hündin und tritt nach jeder Läufigkeit auf, ist eine Kastration oft die stressärmste Lösung für Hündin und Besitzer.
Gesäugetumore
Erfolgt die Kastration der Hündin vor der ersten Läufigkeit, wird das Mammatumor-Risiko (Brustkrebs) stark reduziert. Jedoch sind bei einer so frühen Kastration auch Nachteile zu beachten. Bei Kastration vor der zweiten Läufigkeit ist das Risiko für die Entwicklung von bösartigen Tumoren weiterhin deutlich reduziert, wenn auch nicht mehr so stark. Später kastriert verschwindet dieser hemmende Einfluss.
Der Anteil der Hündinnen mit bösartigen Neoplasien liegt bei 40-60% aller Tumorträger. Mammatumoren finden sich selten vor dem vierten Lebensjahr, in der Altersgruppe bis 7 Jahren zeigt sich eine moderate Steigerung in der Inzidenz, die ab dem siebten Lebensjahr deutlich zunimmt und ihren Höhepunkt mit 10–14 Jahren hat. Mammatumoren bei der Hündin ist eine der häufigsten Tumorarten. Die hormonelle Läufigkeitsunterdrückung begünstigt das Auftreten solcher Tumore. Die regelmässige Kontrolle des Gesäuges ist somit sehr wichtig.
Rüde
Kryptorchismus
Dieser Begriff bezeichnet den ein- oder beidseitigen, nicht vollständigen Hodenabstieg. Da diese "nicht abgestiegenen" Hoden zur tumorösen Entartung neigen können, empfiehlt sich bei betroffenen Rüden die chirurgische Entfernung der Hoden. Diese Hoden liegen entweder noch im Abdomen oder im Leistenkanal. Die Kastration kann somit um einiges aufwändiger sein. V. a., wenn der Hoden im Abdomen liegt. Wichtig ist auch, dass sich solche Rüden nicht vermehren, da Kryptorchismus vererbbar ist.
Hodentumore
Hier gibt es verschiedene Arten, die überwiegend bei älteren Rüden auftreten. Obwohl nicht alle Hodentumore bösartig sind, empfiehlt es sich, zur Sicherheit beide Hoden operativ zu entfernen.
Prostataerkrankungen
Bei vielen älteren, aber z. T. auch schon bei recht jungen Rüden, kommt es zu einer gutartigen Vergrößerung der Prostata. Bei fortschreitender Größenzunahme der Prostata oder Verdauungsproblemen kann jedoch der Kotabsatz erschwert und schmerzhaft werden, da der Enddarm eingeengt wird. Oftmals hilft hier die Kastration auch gegen die Verdauungsprobleme. In anderen Fällen ist aus der Harnröhre abtropfende blutige Flüssigkeit oder Absatz von blutigem Harn zu beobachten. Nach einer Kastration verkleinert sich die Prostata in der Regel sehr schnell, da der Einfluss der männlichen Sexualhormone wegfällt.
Perianaldrüsentumore
In der Umgebung des Afters vorkommende Drüsen, die tumorös entarten können. Die Erkrankung tritt vor allem bei unkastrierten oder spät kastrierten älteren Rüden auf. 80% dieser Tumore sind gutartig (Adenome), 20% bösartig (Adenokarzinome). Bei Adenomen besteht nach operativer Entfernung und gleichzeitiger Kastration eine gute Prognose.
Andere Gründe für eine Kastration
Erleichterung der Haltung und Fortpflanzungskontrolle: Häufigste Motivation der Besitzer für eine Kastration ist die Fortpflanzungskontrolle und Verhaltenssteuerung. Jedoch können Problemverhalten nur teilweise beseitigt werden. Bei Verhaltensproblemen, die auf Grund der Sexualhormone gesteuert werden, kann eine Kastration eine unterstützende Massnahme sein. Grundsätzlich gilt: je früher der Rüde kastriert wird, desto weniger sexuelles Verhalten hat er entwickelt und umso deutlicher ist die Auswirkung der Kastration. Aber es gibt auch junge Rüden, die kastriert werden und deren Verhalten sich nicht ändert. Aggressionsverhalten aufgrund von Erziehungsfehlern oder aber auch angeborenes Territorialverhalten wird hingegen in der Regel nicht beeinflusst. Ebenso können Rangordnungsprobleme zwischen Zwei- und Vierbeinern durch eine Kastration nicht gelöst werden.
Negative Auswirkungen einer Kastration
Fellveränderungen: Die Kastration kann zu Fellveränderungen führen. So ist bei langhaarigen Rassen z. B. Cocker Spaniel ein übermässig starkes Wachstum der Unterwolle möglich. Das veränderte Fell lässt sich nur schwer pflegen und verleiht dem Tier ein welpenartiges Aussehen, weshalb man es oft auch als Welpenfell bezeichnet. Daneben kann sich insbesondere bei kurzhaarigen Rassen ein beidseitiger symmetrischer Haarausfall in der Flankengegend einstellen.
Harnträufeln (Inkontinenz): Die betroffenen Tiere verlieren unbewusst Urin. Dies geschieht in vielen Fällen nur im Schlaf und oft nicht jeden Tag. Im Durchschnitt tritt die Inkontinenz erstmalig 2 bis 3 Jahre nach der Kastration auf. Allerdings ist hier eine grosse Schwankungsbreite von sofort bis zu 10 Jahren nach der Kastration möglich. Besonders betroffen sind jedoch Tiere mit einem Körpergewicht von über 20kg. Früh kastrierte Tiere werden zwar seltener inkontinent, im Falle einer Harninkontinenz zeigt sich diese oft deutlich stärker und spricht schlechter auf die Therapie an. Tritt Harnträufeln auf, so kann versucht werden, den Harnröhrenverschluss durch Medikamente zu unterstützen. Die Behandlung ist in vielen Fällen erfolgreich, muss jedoch dauerhaft fortgesetzt werden.
Übergewicht
Da sich der Stoffwechsel durch die Kastration verlangsamt, besteht danach ein höheres Risiko für die Entwicklung von Übergewicht. Es kann aber ohne weiteres vermieden werden. Hierbei spielen zwei Faktoren eine entscheidende Rolle: Bewegung und Umstellung der Ernährung. Werden kastrierte Hunde gleich weiter gefüttert, wie vor der Kastration und gleichzeitig nicht ausreichend bewegt, nehmen sie schnell zu. Deshalb gilt der Grundsatz "Bewegung hält fit!" auch nach der Kastration des Hundes.
Chemische Kastration: Hündin
Siehe Läufigkeitsunterdrückung hormonell.
Chemische Kastration: Rüde
Es gibt beim Rüden die Möglichkeit ein chemisches Implantat (Suprelorin) entweder zwischen die Schulterblätter oder im Bereich des Nabels zu setzen, welches den Rüden hormonell kastriert. Es gibt zwei Dosierungs-Grössen mit entsprechend unterschiedlicher Wirkungsdauer: ca. 6 Monate und ca. 12 Monate. Die genaue Zeit lässt sich nicht vorhersagen, sie ist v.a. vom Gewicht bzw. der Grösse des Tieres abhängig. Nachdem das Implantat gesetzt wird, kann es kurzfristig zu einem Anstieg des Testosteronspiegels kommen, was unerwünschte Verhaltensweisen verstärken kann. Nach 4-6 Wochen ist der endgültige Zustand erreicht und der Rüde verhält sich so, wie wenn er operativ kastriert wurde. Seine Hoden werden auch deutlich kleiner werden. Entsprechend wird diese Option der chemischen Kastration sehr gerne genutzt, um herauszufinden, ob eine Kastration ein unerwünschtes Verhalten positiv beeinflusst. Auch für sehr unsichere Besitzer, die nicht wissen, ob sie ihren Rüden kastrieren möchten oder nicht, ist diese Möglichkeit optimal. Da diese Implantate recht teuer sind, wird es in der Regel einmalig angewendet und dann entschieden, ob der Rüde operativ und dauerhaft kastriert wird oder nicht.